Radtraining draußen. Das bedeutet für viele: rauf auf das Fahrrad, Tunnelblick und dann Kette rechts, um Strecken-Bestzeiten knacken. Dass sie dennoch Teil des Straßenverkehrs sind, vergessen manche Athleten. Diese Leichtsinnigkeit hat oft schwere Folgen. Im Jahr 2020 starben 430 Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs waren, bei einem Verkehrsunfall – und das allein in Deutschland. Wie kommt es zu solchen Unfällen und wie können diese vermieden werden?
Auch für Trainer ist das Rennrad-Training eine Herausforderung. Im MyGoal Triathlon Trainingsplan und für unsere reinen Radsportler stellen wir Sicherheit in der Saison ganz nach oben. Die Straße ist ungeeignet für Rollenprogramme. Die Vorgaben richten wir deshalb individuell nach deinen Streckenbedingungen und Möglichkeiten aus. Jemand in Schleswig-Holstein wird andere Aufgaben bekommen als im Allgäu. Lies unsere Expertentipps für mehr Sicherheit beim Radtraining:
Checkliste vor dem Trainingsstart
Vorbereitung ist alles. Schon in der Fahrschule wurde immer verlangt, eine Runde ums Auto zu laufen, um Scheinwerfer und Reifenprofil zu prüfen. Das mag übertrieben wirken, aber auch beim Fahrrad ist ein Rundum-Check vor dem Training eine wichtige Maßnahme, um Gefahrensituationen vorzubeugen. Erstelle dir hierzu einfach eine kurze Checkliste, die du vor deinem Training durchgehen kannst. Folgende Punkte sollten auf deiner Liste stehen:
- Radcheck (vor allem Bremsen und Luftdruck überprüfen)
- Fahrradhelm
- Sonnenbrille
- Handy
- Verpflegung und ausreichend Wasser
- Kleine Tasche mit Werkzeug
- Erste-Hilfe-Set fürs Fahrrad
Sicheres Radtraining mit Profitipps
Damit du sicher mit deinem Radtraining starten kannst, haben uns zwei Experten von ihren Erfahrungen im Training berichtet.
Maik Petzold ist deutscher Meister auf der Triathlon Kurzdistanz und zweifacher Olympionike. Er hat uns im Interview viele Fragen zum Rennrad beantwortet, damit du sicher ins Training starten kannst.
Lisa Rudolf betreibt unteranderem den Blog MountainbikeLiebe in dem sie vor allem an Frauen gerichtet Tipps und Tricks rund ums Mountainbike verrät. Sie ist selbst begeisterte Mountainbikerin.
Die beiden erklären nicht nur, wie du sicher trainierst, sondern geben auch einen Einblick in gefährliche Situationen, die sie selbst im Training bewältigen mussten. Später verraten dir Lisa und Maik außerdem noch, was die absoluten Must-Haves für ein sicheres Radtraining sind. Die wichtigsten Punkte auf der Checkliste:
Maik: „Gescheite Radkleidung ist wichtig. Helm und Brille sind absolute Must Haves. Ich trage auch gern Radhandschuh. Im Fall eines Sturzes ist man nicht ganz so gehemmt, wenn es darum geht, sich mit den Händen abzufangen. Das Rad muss in einem einwandfreien Zustand sein.“
Typische Anfängerfehler beim Radtraining
Die Tasche ist gepackt, das Fahrrad rundum überprüft, jetzt kann das Training eigentlich schon losgehen. Doch auch wenn du dich super vorbereitet fühlst, gibt es typische Anfängerfehler, die dich in heikle Situationen bringen können.
Lieber einmal zu oft absteigen, als auf die Schnauze zu fallen (Lisa)
Wenn du mit deinem Rad noch nicht vertraut bist, kann es passieren, dass du dich selbst überschätzt. Wenn du zu schnell zu viel Erfolg im Training erzielen möchtest, bringst du dich in Situationen, die du nicht überblicken kannst. Lisa sagt dazu:
Lisa: „Die krassesten oder gefährlichsten Situationen waren immer die, in denen ich maßlos überfordert war. Zum Beispiel mein allererstes Mal auf einem Trail. Ich wusste nicht, wie ich mich bewegen sollte, wie ich bremsen sollte. Dazu hatte ich noch totale Panik und war eben komplett überfordert.“
Die Konsequenz aus diesen Situationen ist für sie klar:
Lisa: „Ich muss sowohl mental an mir arbeiten, als auch Fahrtechnik explizit trainieren. Übung macht den Meister und Routine bringt Sicherheit auf dem Rad. Dabei sollte man nur das tun, wobei man sich auch sicher fühlt. Lieber einmal zu oft absteigen, als auf die Schnauze zu fallen.“
Auch Maik hat schon einige Gefahrensituationen bewältigen müssen.
Da bin ich lieber selbst nach rechts in den Straßengraben gefahren (Maik)
Maik: „Zum Glück habe ich noch nie so richtig schlimme Situationen erlebt. Sicher, es gibt immer mal brenzlige Situationen mit Autofahrern, die sich einfach im Recht glauben oder auch einfach nicht damit rechnen, dass man als Rennradfahrer schneller unterwegs ist. Einmal hatte ich eine Situation, da hörte ich von hinten ein Auto mit hoher Geschwindigkeit heranfahren. Es hatte Gegenverkehr und ich dachte so vom Hören her, dass das mit dem Bremsen knapp wird. Da bin ich lieber selbst nach rechts in den Straßengraben gefahren. Du musst dir einfach bewusstmachen, dass du Teil des Straßenverkehrs bist und zwar der schwächste und am wenigsten geschützte Teil. Das heißt, du musst dich unterordnen. Nicht auf Teufel komm raus fahren, sondern de-eskalierend und vorausschauend fahren. Manche setzen ihr Auto als ‚Waffe‘ ein. Im schlimmsten Fall Kennzeichen merken und Anzeige erstatten!“
Gefahren beim Training
Natürlich müssen sich nicht nur Anfänger mit Gefahrensituationen im Training auseinandersetzen. Wenn du dich auf dein Rad schwingst, muss dir einfach bewusst sein, dass es bestimmte Gefahrenquellen im Straßenverkehr gibt, die besonders für Radfahrer brenzlig werden können. Lisa gibt dir eine kurze Übersicht über Gefahren, die du während des Trainings auf dem Schirm haben solltest:
Lisa: „Eigene Fehler bewusst machen! Manchmal ist man unvorsichtig oder übermütig. Versuche immer die Situation so realistisch wie möglich einzuschätzen und dabei immer dein Fahrstil deinem Können anzupassen. Fehler von anderen: Man muss immer die Augen offenhalten und sofort reagieren, wenn jemand bremst oder dir in die Fahrbahn grätscht.“
Absolute Zustimmung vom Triathlon-Profi:
Maik: „Man sollte immer mit den Fehlern der anderen rechnen. Man kann es nicht vorhersehen, das ist klar, aber vorausschauendes Fahren schafft Sicherheit. Mach dir auch bewusst, wie schnell du eigentlich unterwegs bist und was das für deine eigene Reaktions- und Bremszeit bedeutet.“
Außerdem kennen beide die Gefahr von Wind und Wetter.
Maik: „Witterungsbedingungen sollte man auch immer beachten. Sind die Straßen nass, vielleicht verschmutzt, dann heißt das auf jeden Fall Geschwindigkeit anpassen und sich gewahr sein, dass die dünnen Rennradreifen auch mal wegrutschen können. Windböen können auch gefährlich werden. Wenn du z.B. von einem LKW überholt wirst, da gibt es eine Sogwirkung, wo man gegensteuern muss.“
Lisa: „Eine starke Windböe, eine nasse Holzbrücke oder wie bei meinem letzten Radunfall ein Stock, der in die Speichen kommt und das Rad blockiert. Es kann immer was passieren, daher solltest du lernen, vorausschauend zu fahren und auf keinen Fall aus Schreck irgendetwas machen.“
Eine weitere Gefahrenquelle, die viele unterschätzen, ist außerdem das Fahrrad selbst. Lisa rät deshalb:
Lisa: „Achte darauf, dass du dein Fahrrad immer gut pflegst und regelmäßig wartest oder warten lässt. Kaputte Bremsen, lockere Schrauben oder abgefahrene Reifen sind eine Gefahr für jeden Radfahrer.“
MyGoal Trainerin Anke möchte dir auch noch was sagen:
Gefahrentraining
Auch wenn du potentielle Gefahren im Training kennst, darfst du dich nicht nur auf deinen Verstand verlassen. Deine Radsicherheit ist und bleibt das A und O. Tatsächlich haben Lisa und Maik auch einige Tipps parat, wie du die Sicherheit auf deinem Rad trainieren kannst. Ob Stürze üben wohl auch dazu gehört?
Lisa: „Man kann Gewisse Situationen auf jeden Fall trainieren. Ich empfehle jedem ein Fahrtechniktraining zu machen. Das ist ähnlich wie bei einem Fahrtechniktraining für Autos: Man lernt, wie man in Extremsituationen reagieren muss, in einer sicheren Umgebung unter Anleitung. Sprich Spitzkehren werden vielleicht erst mal auf einer Wiese geübt, anstatt direkt am Steilhang. Und je öfter man so eine Situation übt, desto mehr verinnerlicht man diese.“
Maik: „Beim Stürzen würde ich mich auf meine Reflexe verlassen. Was man jedoch üben sollte, ist die Reaktion auf bzw. in Gefahrensituationen. Es ist durchaus sinnvoll, mal die eine oder andere Gefahrenbremsung zu üben, um einfach auch ein Gefühl dafür zu bekommen, wie lang der Bremsweg ist und wie sich das Rad verhält. Slalom fahren oder mal kleine Hindernisse, z.B. einen kleinen Ast, mit dem Rad überspringen zu können, kann auch sehr hilfreich sein. Je öfter man das übt, desto routinierter wird man im Umgang mit Gefahrensituationen und mit seinem Rad. Gleichgewichtstraining ist wichtig für Radfahrer.“
Wie du dein Gleichgewicht und viele weitere, nützliche Skills trainieren kannst, erfährst du in unserem Artikel zu den koordinativen Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten von Orientierung über Reaktionsfähigkeit und Kopplungsfähigkeit bis hin zum richtigen Rhythmusgefühl sind die perfekten Partner im Radsport und können durch einfaches Athletiktraining geschult werden.
Must-Haves in Sachen Radsicherheit
Über wichtige Tipps und Tricks und die absoluten Must-Haves sind sich unsere beiden Experten einig. Sie haben eine kurze Liste mit diesen Tipps zusammengestellt.
- Ein Fahrradhelm ist das wichtigste Must-Have für jeden Anfänger. So ist Lisa selbst schon gestürzt und sagt dazu ganz klar: Lisa: „Ohne einen Helm würde ich vermutlich diese Zeilen nicht schreiben können.“
- Ein funktionsfähiges Fahrrad ist genauso wichtig für jeden Anfänger. Genauso solltest du darauf achten, dass dir dein Fahrrad passt.
- Die passende Radkleidung ist wichtig. Hierzu gehören neben dem Helm auch Brille und Radhandschuhe
- Mach dich vertraut mit deinem Rad – bremsen, schalten, aufsteigen, absteigen. Du musst wissen, wie dein Rad bei bestimmten Manövern reagiert.
- Das Rad muss in einem einwandfreien Zustand sein
- Wir empfehlen jedem Anfänger einen Fahrtechnikkurs. Die gibt es überall verteilt in Deutschland. Im Zweifel einfach mal im nächsten Bikeladen oder beim lokalen Radverein nachfragen. Alternativ gibt es inzwischen auch Online-Fahrtechnikkurse.
Lisa: „Ich mache aktuell auch so einen Technikkurs und bin begeistert, weil man sich die Zeit frei einteilen kann und insgesamt mehr Zeit zum Üben hat.“
Mit diesen Tipps von unseren beiden Experten Lisa Rudolf und Maik Petzold steht deinem Radtraining eigentlich nichts mehr im Weg. Wir danken den beiden, dass sie uns im Interview alle Fragen rund um das Thema Radsicherheit beantwortet haben. Komm gesund ins Ziel!