Am 1. Juli 2018 finishte MyGoal-Gründer Mathias die Challenge Roth in 11:57:06 h. Und das, obwohl der Start Anfang Mai noch komplett in Frage stand. Trainerin Anke und ich haben, ohne das öffentlich zu machen und vor allem ungewollt, ein Experiment machen müssen: Kann sich ein halbwegs erfahrener Altersklassen-Triathlet nach einem halben Jahr Trainingspause innerhalb von 2 Monaten für einen Langdistanz-Triathlon fit machen und wie würde das laufen? Ja, sogar sehr gut!
Was der Grund war, wie ich Zweifel überwinden konnte, darüber haben wir gesprochen. Erfahre auch, wie ich mir das Rennen ohne Pulsuhr, ohne Radcomputer und ohne Coaching von der Strecke exakt für Sub 12 einteilen konnte.
Mathias: Das wird jetzt das ungewöhnlichste Interview, das wir je hatten.
Anke: Wie wollen wir anfangen?
Mathias: Ich glaube, du musst mir erstmal gratulieren.
Anke: Ich gratuliere dir zum erfolgreichen Finish bei der Challenge Roth!
Mathias: Dankeschön! Nach der Vorgeschichte – hast du zu Ostern überhaupt noch daran geglaubt, dass ich starten kann?
Da war mir eigentlich klar, dass ich zur Challenge nicht starten kann.
Anke: Das würde ich lieber dich fragen. Hast du noch dran geglaubt? Oder anders, wie ging es dir mit den Trainingsausfällen durch die lange Krankheit mit echter Grippe, den abgesagten Wettkämpfen im Vorfeld. Was macht das mit einem im Kopf, wenn man weiß, in weniger als drei Monaten ist Langdistanz-Triathlon angesagt?
Mathias: Also Ostern war noch gar nicht der Tiefpunkt. Da ging es mir zwar immer noch schlecht. Am Wochenende danach kam das wunderbare Trainingslager mit Maik Petzold und ich konnte sogar mitmachen – meine ersten Kilometer dieses Jahr auf dem Rennrad fahren. Aber danach kam wieder so ein Bumerang und hat mich erneut flach gelegt. Nach einem abgesagten 30-Kilometer-Lauf im März musste ich nun auch den Oberelbe-Marathon sausen lassen. Da war mir eigentlich klar, dass die Challenge Roth 2018 ohne mich stattfindet.
Anke: Hättest du wirklich abgesagt?
(Image Credits: Marathon-Photos.com)
Mathias: Ja, definitiv. Ich war darauf gefasst. Wenn es im weiteren Training nicht ganz schnell und steil bergauf gehen würde, wäre mir das Risiko zu groß gewesen.
Anke: Was hat dir dann die Zuversicht gegeben, es doch zu versuchen?
Mathias: Du!
Anke: Schon klar.
Mathias: Ganz im Ernst, ohne deinen Rat und den entsprechenden Trainingsplan hätte ich überhaupt nicht gewusst, womit ich anfangen soll. Da hätte ich nur noch Panik gehabt. Es waren viele Faktoren, die mich motiviert haben. Zum Beispiel ein guter Freund und MyGoal Athlet, der Roland. Der wohnt in der Nähe von Roth und hat da schon oft mitgemacht. Er hatte mir das Kickoff-Wochenende im Mai empfohlen. Also habe ich mich ins Auto gesetzt und bin 500 Kilometer hin und 500 Kilometer zurück gereist, um genau eine Runde auf der Wettkampfstrecke Rad zu fahren. Zu Hause hätte ich an dem Wochenende Anfang Mai vielleicht 200 und mehr Kilometer fahren können. So waren es die besten 90, die ich in diesem Moment machen konnte. Sehr nette Leute, tolles Wetter und das Erleben, wie gut sich diese Strecke fahren lässt, das brachte einen neuen Entschluss: Du wirst genau nach Plan trainieren und erst in der Wettkampfwoche entscheiden – Hopp oder Topp! ––– Sag mal, ich stelle hier doch die Fragen!
Anke: (lacht) Ich bin nunmal der Coach.
Dein Kopf, der weiß, du kannst es.
Mathias: Lass mich fragen! Riesiger Gedankensprung ins Ziel. Als du mich nach 11 Stunden und 57 Minuten hast ankommen sehen, was hast du da gedacht?
Anke: Na gut – rollen wir den Fall mal von hinten auf. Wir hatten das ja auf der Autofahrt nach Roth alles durchgespielt. Da waren wir uns einig, dass der Marathonlauf die große Unbekannte bei dieser Langdistanz für dich sein wird. Zum einen hat dir der Vorbereitungswettkampf im Frühjahr gefehlt. Es haben auch etliche lange Laufeinheiten gefehlt. Es stand nie zur Debatte, dass du nicht irgendwie ankommen würdest. Dafür bist du einfach schon zu oft Marathon gelaufen und hattest schon 3 Langdistanzen, was weiß ich, wie viele olympische und Mitteldistanz-Triathlons gemacht. Also Erfahrung hast du ja. Dein Kopf, der weiß, du kannst es. Die Frage war nur, wie lange würde es dauern. Als ich dich dann auf dem roten Teppich gesehen habe, war ich schon erleichtert. Die Zeit unter 12 Stunden – da hab ich gedacht: für diese kurze Vorbereitung einfach nur sensationell, bombastisches Ergebnis!
Mathias: Keine Zweifel?
Anke: Nein, ich hab nicht dran gezweifelt, dass du es schaffst. Weil ich weiß, dass du dich gut einschätzen kannst, dass du weißt, was du dir zumuten kannst. Ich weiß, dass du nie an diese Kotzgrenze gehen würdest, an die andere gehen. Da würdest du vorher schon immer einen Gang rausnehmen und sagen: Nö, da lass ich mir lieber ’ne halbe Stunde länger Zeit und komm dafür mit einem Lächeln ins Ziel. Das finde ich eine sehr vernünftige Einstellung, Zeit als etwas Sekundäres zu betrachten und das Finish an sich eben eher zu genießen.
Mathias: Jetzt müsstest du mir mal wieder eine Frage stellen.
Anke: Wozu?
Mathias: Na zum Finish!
Anke: Ach was!? Na gut, magst du darüber reden, wie es ist, eine Ironman-Distanz ohne technischen Schnickschnack zu machen? Du hast ja den Radcomputer abgebaut, deine Suunto-Pulsuhr zu Hause gelassen. Du bist das Ding nach Gefühl angegangen.
Mathias: Oh ja, das wollte ich unbedingt erzählen.
Anke: Dann erzähl mal. An welchem Punkt wusstest du, das krieg ich hin heute?
Mathias: Das glaubt mir bestimmt keiner, aber ich wusste schon morgens, dass das ein guter Tag wird. Weil einfach auch das Feeling gepasst hat. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich da sehr gut durchkommen kann. Ich hab mich beim Schwimmen sehr wohl gefühlt. Das schwimmt sich fantastisch in dem Kanal, ohne jede Klopperei. Beim Radfahren lief es sehr gut. Ich wusste nicht, wie schnell ich ganz genau bin, aber ich wusste, dass ich gut unterwegs bin, weil ich sehr viele Leute überholt hab. Vor allem in der ersten Runde. In der zweiten Runde habe ich bewusst etwas nachgegeben. Denk dran, da kommt noch was! Als ich hinterher gesehen habe, dass ich gut unter 6 Stunden geblieben bin, da muss ich sagen; exakt so hat es sich auch angefühlt. Ich weiß doch, wie schnell Begrenzungspfosten an einem vorbei ziehen, wenn man einen guten Schnitt fährt. Ohne den Radcomputer fällt für mich aber der Frust weg, wenn das Tempo im Gegenwind oder an einer Steigung mal unter 30 km/h rutscht. Also, mich macht das freier.
Anke: Auch beim Laufen?
Mathias: Da hab ich hinterher gesehen, dass ich mit 5 min/km den Weg zum Kanal hochgerannt bin. Das war vielleicht etwas zu schnell angegangen. Andererseits fühlte es sich ja gut an und das blieb auch lange Zeit so. So verrückt das klingt, aber gerade das mentale Brett über 20 km geradeaus am Main-Donau-Kanal zu laufen, fand ich richtig schön. Da habe ich gespürt, dass ich unter 12 Stunden bleiben kann, wenn ich einfach weiter laufe und nicht gehe.
Nö, du läufst jetzt weiter!
Anke: Du hast dann aber Gehpausen eingelegt.
Mathias: Schon, aber ich bin ja an jeder Verpflegungsstelle gegangen, also alle anderthalb Kilometer. Das ist übrigens eine sensationelle Versorgung da in Roth. Die Gehstrecken wurden ab Kilometer 27 oder 30 auch länger und dann kamen Momente, in denen ich mich in den Hintern treten musste. Nö, du läufst jetzt weiter! Den Berg nach Büchenbach hoch: Wenn du jetzt nur noch gehst, dann versemmelst du eine echt gute Zeit. Das wäre ja sinnlos gewesen. Du kannst laufen, also lauf!
Anke: Hattest du einen mentalen Trick dafür?
Mathias: Ja schon. Da war immer dieser Gedanke: du bist gleich wieder in Roth und dann kommt dieses wunderschöne Ziel und da willst du doch hin. Ich habe mir das tatsächlich immer wieder vorgestellt. Im Mai hatte ich unter dem Zielturm bereits ein Foto gemacht. Es ist verrückt, aber dieses Visualisieren eines Ziels, das funktioniert wirklich. Und es kommt mit jedem verdammten Schritt irgendwie näher. Rückblickend frage ich mich sogar, warum ich überhaupt zwischendurch gegangen bin, denn diese 12 Stunden haben mir wirklich von Anfang bis Ende Spaß gemacht.
Anke: Wie hast du die Stimmung bei der Challenge Roth wahrgenommen?
Mathias: Da stehen wirklich an jedem Kilometer Zuschauer. Sogar beim Radfahren, irgendwo am Feldrand bei Greding steht eine Frau und klopft den ganzen Tag auf eine Trommel, um mal etwas anderes zu erzählen als die Geschichten vom Solarer Berg. Ich bekomme das unterwegs alles mit, versuche es aber etwas von mir fern zu halten. Das ging mir schon morgens so mit den berühmten Heißluftballons am Schwimmstart. Da kriegst du in der Wechselzone eine Gänsehaut nach der anderen. Und trotzdem sage ich mir: Jetzt wird noch nicht geheult vor Freude! Du hast noch was vor dir.
Anke: Magst du mich noch was fragen?
Mathias: Mich interessiert es wirklich trainingsmethodisch. Nachdem ich von deinen Plänen im Januar, Februar, März und selbst noch im April kaum etwas trainieren konnte, was war so rein sportwissenschaftlich betrachtet der Trick bei diesem ungewollten Experiment?
Anke: Es ist natürlich eine Herausforderung. Zwei Monate, etwas mehr als 8 Wochen. das ist jetzt nicht unbedingt viel Zeit. Da muss ich schauen, wie ich als Trainerin aus der wenigen Zeit das Sinnvollste heraushole. Für mich stand fest, dass du auf jeden Fall lange Einheiten brauchst, lange Belastungszeiten, um dich einfach für diese Langdistanz auch im Kopf vorzubereiten. Andererseits wissen wir, dass je länger und intensiver Trainingseinheiten werden, desto länger auch die Regenerationszeit. Zu viel würde also auch die Möglichkeit zur Anpassung nehmen. Das ist das Dilemma, das ich ausmitteln musste. Darüber habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht. Wie viel kann ich dir im Training tatsächlich zumuten, ohne dich an eine Erschöpfungsgrenze zu bringen, bei der gar nichts mehr laufen würde. Auch sonst im Leben übrigens. Du musstest ja auch weiter arbeiten.
(Image-Credits: pebe-sport.de)
Mathias: Und es gab die sogenannten Schlüsseleinheiten in dieser Zeit.
Anke: Ja genau. Ich denke da an drei ganz bestimmte Einheiten. Wir hatten zum Beispiel eine lange Radfahrt nach Chemnitz geplant. Ich weiß gar nicht mehr, wie weit das war.
Mathias: Ziemlich genau 150 Kilometer und nur hoch!
Anke: Richtig, das war ja ganz entscheidend, dass du auch ein paar Höhenmeter abbekommst. Wenn du da etwas über fünf Stunden auf dem Rad sitzt, dann kommt das schon sehr nah an die Belastungszeit bei der zweiten Disziplin im Triathlon heran. Das war für mich eine Schlüsseleinheit. Dann hattest du im Juni den Schlosstriathlon Moritzburg auf der Kurzdistanz mitgemacht und mich vorher selbst gefragt, ob du danach mit dem Rad zurückfahren kannst.
Mathias: Nur, wenn’s mir gut geht.
Anke: Ging es ja dann auch. Erst habe ich gedacht: Wie jetzt? Aber zwei Sekunden später war mir klar, das ist eigentlich genial. Denn so eine olympische Distanz bringt zweieinhalb bis drei Stunden Belastungszeit und dann fährst du ca. 70 Kilometer nach Hause. Ja, das ist ganz prima, unter Vorbelastung noch einmal Radfahren – machen! Hat ja auch wunderbar funktioniert.
Ich habe nunmal keine Zeitfahrmaschine und für eine Langdistanz alle vier Jahre sehe ich das auch nicht ein.
Mathias: Moritzburg brachte mit 2:35 h sogar eine persönlichen Bestzeit auf der Kurzdistanz.
Anke: Dann hattest du noch zwei/drei weitere lange Radausfahrten mit einer Trainingskollegin aus unserem Tri-Team, auch mit etlichen Höhenmetern. Da bist du jedes Mal zurückgekommen und hast gesagt: das waren viel schlimmere Berge als dort in Roth und insofern hat dir das Lausitzer Bergland auch noch ein wenig auf die Sprünge geholfen. Wie empfandest du die Mördereinheiten, etwa bei großer Hitze ganz allein nach Chemnitz zu fahren?
Mathias: Gar nicht so mörderisch. Es war genau richtig. Es war ein toller sonniger Tag. Ich konnte zwischendurch mal beim Getränkeladen anhalten. Ich will aber auch mal sagen, dass ich wirklich Glück hatte. In den 2 Monaten konnte ich jedes Training auch deshalb machen, weil fast immer sommerliches Wetter war. Meistens etwas wärmer als dann im Wettkampf. Und als es am Wochenende vor Roth bei der Koppeleinheit 111, also 100 Kilometer Rad und 11 Kilometer Laufen, nur geschüttet hat und sau kalt war, da war es mir dann auch egal. Da habe ich gedacht: zieh das jetzt durch! Roth wird schon deshalb schöner, weil es schlimmeres Wetter gar nicht mehr geben kann als heute im Training.
Anke: Du freust dich aber über komische Sachen.
Mathias: Ist halt so. Mich motivieren manchmal sogar Kleinigkeiten. Ich hatte mir für unbekannte Radstrecken die Komoot-App zugelegt. Die hat mich auf dem Weg nach Chemnitz so hervorragend geführt, ganz tolle Nebenstraßen, kaum Verkehr, süße schattige Täler, eine 20-Prozent-Steigung mit dem entsprechenden Schild für’s Instagram-Posting – sowas eben. Das ist dann einfach stressfrei. Ganz anders als 150 Kilometer auf der Bundesstraße, wo du die ganze Zeit von LKWs überholt wirst, was ich sowieso nie machen würde. Ich hatte mir das neue Setup am Rennrad einiges kosten lassen und bin dem Bernd, Techniker beim Bike-House Scheibe in Kamenz, sehr dankbar, dass er einen tollen Kompromiss gefunden hat. Ich habe nunmal keine Zeitfahrmaschine und für eine Langdistanz alle vier Jahre sehe ich das auch nicht ein. Auf der Strecke habe ich genug von denen hinter mir gelassen. Aber auch der neue Einteiler, den mir Marco vom Triathlon-Concept-Store aus Freiburg empfohlen und geliefert hat – das brauchst du einfach für ein gutes Gefühl im Wettkampf.
Anke: Hast du noch jemanden vergessen in deinem Werbeblock?
Mathias: MyGoal Training® – ab sofort mit dem Triathlon Trainingsplan spezial: In 8 Wochen zur Langdistanz!
Anke: Nicht wirklich.
Mathias: Nein, ganz im Ernst – das ging nur, weil ich das große Glück habe, meine Trainerin sehr nah bei mir zu haben.
Anke: Fazit zur vierten Langdistanz?
Mathias: Mit 50 schneller als mit 40 und noch Lust auf viele Jahre Triathlon. Die Pause wird jedoch wieder etwas länger sein. Ich werde jetzt zu diesem Ding erstmal ein paar Vorträge halten. Das ist ja mein Beruf.
Anke: Na dann, viel Spaß auch dabei. Komm gesund ins Ziel!