Startpanik besiegt – Interview mit Caro aus Köln

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Wir sprechen ja sehr oft über Glücksgefühle im Ziel. Aber was ist, wenn dich schon am Start die Angst regelrecht lähmt? Caro aus Köln hat das mehr als ein Mal erlebt und fühlte sich mitunter wie angenagelt. Sie war bereit, mit uns darüber zu sprechen. Lies, wie sie ihre Startpanik erkannt und letztlich besiegt hat!

Herzlichen Glückwunsch, Caro, zum erfolgreichen Finish beim Bonn-Triathlon!

Dankeschön.

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Wie wäre es, wenn deine Trainerin zuhört und regelmäßig Zeit für dich hat?

Bei mir war das so, dass ich einfach nicht von der Stelle gekommen bin.

Wie schwimmt es sich im Rhein? 

Besser als gedacht. Ich bin ja direkt am Rhein aufgewachsen. Man lernt hier schon als kleines Kind, dass man auf gar keinen Fall im Fluss schwimmen darf, weil es zu gefährlich ist.

Caro im Ziel
Die Glücksgefühle erkämpft – Caro nach dem PowerMan Duathlon 2017

Und so war es tatsächlich das allererste Mal, dass ich im Rhein geschwommen bin. Das Wasser ist sehr trübe, man sieht praktisch gar nichts. Hinterher fühlt es sich so an, als hätte man eine Tüte Matsch gegessen.

Ihr schwimmt 3,8 km bei diesem Wettkampf, richtig? 

Ja genau. Es mussten alle Athleten mit einer Fähre rausfahren und von da ging es wie bei den Pinguinen die Rampe runter in den Rhein.

Und nun mach uns alle mal neidisch, denn 3,8 ist ja eigentlich die Ironman-Schwimmstrecke. Wie lange braucht man da so im Rhein stromabwärts?

Ich habe 32 Minuten gebraucht, was einer 100-Meter Schwimmzeit von 52 Sekunden entspricht.

Wow! Dann ist man ja schneller von Bonn nach Köln geschwommen, als meistens über die Autobahn gefahren.  

(lacht) Ja, das auf jeden Fall.

Hattest du am Start keine Angst? 

Nein, gar nicht. Ich wusste ja, dass ich mit dem Neoprenanzug nicht untergehen kann. Es sind ganz viele DLRG-Leute dabei, die uns begleiten und die Strömung zieht dich eher weiter, aber nicht runter.

Die Frage hat noch einen anderen Hintergrund. Wir wissen, dass du eine Zeit lang unter Panikattacken am Start gelitten hast. Magst du darüber reden? 

Ja, gerne.

Ich habe oft unglaublich lange gebraucht, um überhaupt in Bewegung zu kommen.

Startpanik ist also das Stichwort. Wie äußert sich sowas? 

Also bei mir war das so, dass ich einfach nicht von der Stelle kam. Es war auch egal, ob Radrennen, Triathlon oder Laufwettkampf. Ich habe schon am Start eine Herzfrequenz im oberen GA2-Bereich gehabt, ohne dass ich mich bewegt habe. Also bei mir zwischen 170 und 180 Puls. Das fühlt sich natürlich auch nicht gut an und dann steigt so langsam von unten nach oben Panik auf, was man natürlich gerade im Wasser nicht gebrauchen kann.

Also ein Gefühl vielleicht wie bei Menschen, die im Fahrstuhl Platzangst bekommen? 

Ja genau, ich denke schon. Eingepfercht, sehr ausgeliefert. Es kam spürbar von unten nach oben. Ich habe gemerkt, dass es in den Füßen anfing, bis hoch zum Nacken kroch und sich dann so richtig in den Kopf reingefressen hat. Das lähmt unglaublich. Wenn der Startschuss dann fällt, ist die Anspannung leider nicht weg, sondern ganz im Gegenteil. Ich habe oft unglaublich lange gebraucht, um überhaupt in Bewegung zu kommen.

Du hast dir professionelle Hilfe gesucht für dieses spezielle Problem. Wie kam es dazu?

Also bei meinem letzten Versuch, einen schnellen Zehner zu laufen – dafür trainiere ich schon sehr lange, um mal an meiner Bestzeit zu schrauben – hatte ich eine gute Freundin gefragt, ob sie mich ziehen kann. Das endete damit, dass ich nach einer von zwei Runden heulend zusammengebrochen bin. Ich habe mich wie der letzte Versager gefühlt, hab‘ alles angezweifelt, warum ich das überhaupt mache und wieso ich so schlecht bin. Als die Tränen getrocknet waren, kam ich zu dem Ergebnis; so kann es nicht weitergehen. Sport ist mein Hobby, meine Leidenschaft und das soll ja auch Spaß machen und nicht zu einem Nervenzusammenbruch führen.

Wie ging’s dann weiter? 

Über eine Vereinskameradin bekam ich Kontakt zu einer Psychologin, Doro Fitzek aus Erftstadt, die sich schon sehr viel mit Spitzensport beschäftigt hat. Und weil wir uns im ersten Telefonat schon sehr gut verstanden, habe ich mich kurzerhand für eine Therapie entschieden.

Wie genau konnte sie dir helfen?

Sie hat auf zwei Arten mit mir gearbeitet. Einmal mit Tiefenhypnose, die natürlich ganz anders ist als diese Show-Hypnosen, die man aus dem Fernsehen kennt. Sehr ruhig, sehr konzentriert, man ist die ganze Zeit wach und bekommt alles mit, was mit einem passiert. Es hilft einfach, sich etwas mehr zu öffnen. Das ist eher wie eine Meditation, die einem Gelegenheit gibt, mit dem Unterbewusstsein bewusst zu kommunizieren.

Was war die zweite Methode? 

Die zweite nennt sich Wingwave-Methode, die eigentlich zur Traumabewältigung entwickelt wurde – für Soldaten, die aus dem Krieg wiedergekommen sind. Wingwave repräsentiert wohl den Moment kurz vor dem Einschlafen, wenn sich die Augen ganz schnell hin und her bewegen. Es wird also ein Zustand zwischen Wachsein und Einschlafen simuliert. In meinem Fall bin ich mit den Augen einfach Doros Fingern gefolgt.

Interessant.

Um zu testen, ob der gewünschte Effekt eingetreten ist, sollte ich Daumen und Zeigefinger zusammen pressen – ähnlich wie man es sich bei einer Meditation vorstellt. Und Doro hat dann verschiedene Sätze gesagt, zum Beispiel: „Es ist zwei Tage vor dem Wettkampf und du bist noch total entspannt“ und hat dabei die Finger auseinander gezogen. Je nachdem ob das Unterbewusstsein diesen Aussagen zustimmt, konnte ich die Spannung zwischen meinen Fingern halten oder eben nicht. Ein bisschen spooky, aber auch mega-cool.

Was soll damit erreicht werden, beziehungsweise was hast du dadurch erreicht? 

In diesem Wingwave-Moment, abends vor dem Einschlafen, da kommuniziert die linke mit der rechten Gehirnhälfte und speichert sozusagen die Erlebnisse des Tages im Langzeitgedächtnis. Man kann sich das so vorstellen, dass mitunter Dinge falsch abgespeichert werden und es geht darum, sie wieder abzurufen und neu zu verknüpfen.

Ist es zu persönlich, wenn ich dich frage, was ihr als Ursache für deine Startpanik herausgefunden habt? 

Nein, ganz und gar nicht. Das war total interessant. Die erste Frage, die wir gestellt haben, war: Ist meine Wettkampfangst in der Gegenwart oder liegt das irgendwo in der Vergangenheit? Gab es also ein besonderes Erlebnis, das zu dieser Angst geführt hat? Dabei kam heraus, dass es ein Gefühl aus der Gegenwart ist. Dann ging es darum herauszufinden, ob diese Angst mein eigenes Gefühl ist oder ein Druck von außen – etwa wie bei Kindern, deren Prüfungsangst eigentlich die Angst der Eltern ist. So war es bei mir nicht, sondern tatsächlich meine eigene Angst. Sie ist dadurch zustande gekommen, dass ich mich der Situation so ausgeliefert fühlte. Deshalb konnte ich im Wettkampf keine Leistung abrufen. Die Blockade im Kopf wurde mit der Zeit immer schlimmer.

So dass du trotz des Trainings keine guten Ergebnisse erreicht hast …

Ja, ich konnte einfach nichts abrufen. Durch das Training mit Anke sind meine Leistungsdiagnostiken immer besser geworden. Die Werte sind der Wahnsinn. Ich bin auch im Training die Intervalle in den letzten anderthalb Jahren immer schneller gelaufen; aber immer wenn es darauf ankam, ging es nicht.

Hast du inzwischen einen Trick, wie du damit klarkommst? Offenbar hat es in Bonn ja gut funktioniert.

Auf jeden Fall. Wir haben Strategien erarbeitet, wie ich mich von dieser Angst lösen kann. So ganz wegbekommen kann man sie nicht. Das ist auch gar nicht Sinn der Sache. Man lernt sie anzunehmen und Strategien, um damit umzugehen. In meinem Fall habe ich mir ein bestimmtes Bild eingeprägt, womit ich positive Dinge verknüpfe – ein großes Werbeschild für einen Laufwettkampf. Und es gibt noch eine andere Sache, eine Art Zeichen, das wir entwickelt haben. Beim Laufwettkampf, wenn es anstrengend wird, dann quetsche ich immer sehr die Daumen. Dieses Daumenquetschen habe ich in den letzten Wochen bewusst immer dann gemacht, wenn es gut lief und konnte das Gefühl dadurch sozusagen umkehren.

Dass mich im Ziel die Endorphine durchströmt haben. Das kannte ich vorher nicht.

Respekt! Danke, Caro, dass du diese sehr persönliche Erfahrung mit uns teilst. Wie denkst du ist das ganz allgemein in unserem Sport Triathlon –  kann es sein, dass unsere Ziele und die Psyche mitunter nicht so ganz übereinstimmen? Wollen wir manchmal zu viel? Was meinst du?

Ja – nicht nur manchmal. Ich würde sogar sagen, immer. Was aber selten auf einen intrinsischen, inneren Druck zurückzuführen ist, sondern ich glaube, dass dieser Druck zu 99 Prozent von außen kommt. Das ist gerade in unserem Sport sehr gefährlich, dieses immer höher, schneller, weiter. Dazu kommt diese ständige Vergleichbarkeit, immer und überall und mit jedem. Ich glaube, dass das schon eins der großen Probleme ist, auch etwas, wodurch meine Angst im Endeffekt entstanden war.

Also ein Appell gegen die „Performer“ unter uns?

Genau! Für mich ist es ein Unding, dass alles unter Mitteldistanz von vielen nicht als Triathlon angesehen wird. Das habe ich jetzt schon sehr oft erlebt. Das ist in meinen Augen völliger Schwachsinn. Gerade wenn man mit diesem Sport anfängt, lässt man sich davon entweder sehr schnell zurückschrecken oder unnötig beeindrucken.

Wie ist dann deine Erfahrung mit uns? Wir betreuen ja tatsächlich Anfänger vor ihrem ersten Volkstriathlon genau so wie Ironman Triathleten. Ganz ehrlich, Caro, hat das Training mit uns das Problem nicht noch schlimmer gemacht? Wie war das?

Nein, ganz im Gegenteil. Mir hat beim Training mit euch von Anfang an sehr gut gefallen, dass ihr mir zugehört habt. Ich erlebe sehr oft, dass Trainer das nicht tun. Anke hat mich an dem Punkt abgeholt, wo ich war und auch meine Anforderungen an mich selbst akzeptiert. Ich würde von euch niemals hören: Du musst aber irgendwann eine Mitteldistanz machen. Wenn ich frage: glaubt ihr, ich kann eine Mittel- oder Langdistanz schaffen, dann werde ich auf jeden Fall eine ehrliche Antwort bekommen, was ich total wichtig finde. Aber es ist keine Grundvoraussetzung, um von euch ernst genommen zu werden.

Danke! Ein größeres Kompliment können wir an der Stelle gar nicht bekommen. Um das Thema noch einmal aufzugreifen. Was würdest du Menschen sagen, die sich mit ähnlichen Ängsten rumschlagen, wie du sie erlebt hast? 

Dass es sich lohnt, sie zu bekämpfen – immer. Aktiv damit umgehen! Es muss ja nicht jeder Interviews führen und von seiner Psychotherapie berichten, aber ich kann sagen, dass ich diesen Schritt niemals bereut habe. Ich hatte in Bonn und auch beim Duathlon im Frühjahr das erste Mal das Gefühl, dass mich im Ziel die Endorphine durchströmt haben. Das kannte ich vorher nicht.

Na dann! Mögen dich diese Glücksgefühle immer weiter begleiten. Danke Caro, komm gesund ins Ziel! 

Danke.

Viele Triathleten und Läufer zahlen einen viel zu hohen Preis für ihr Training.
Denn sie bezahlen mit ihrer Gesundheit. Das haben wir geändert.