Die Trail-Family ist etwas Wunderschönes – Interview mit Oriane aus Berlin

Was zum Geier war da los? „Trilhos dos Abutres“ ist portugiesisch und heißt „Pfad der Geier“ – ein Ultra-Trail-Lauf, der unsere Athletin Oriane zum Fluchen und zum Ausscheiden brachte. Über das Scheitern und ihren dennoch ungebrochenen Optimismus haben wir mit der jungen Französin aus Berlin gesprochen.

Oriane beim Trilhos Abutres 2016
Oriane in den Bergen Zentral-Portugals, dem Austragungsort des Trilhos Abutres. (Foto: privat)

Hallo Oriane, schön, dich seit dem Jahreswechsel wieder bei uns zu haben. Was war der Grund für dich, nach einem halben Jahr Pause zu uns zurückzukommen?

Ursprünglich hatte ich eine Pause gemacht, weil ich es zeitlich nicht mehr geschafft habe, dem Training zu folgen. Ich habe da gerade meinen neuen Job angefangen und es hat mir an Struktur gefehlt. Bin dann eben nur nach Lust und Laune gelaufen. Ich hatte auch mein Lauf-Mojo verlaufen. Nicht so schön. Aber nachdem ich meinen Rhythmus wiedergefunden hatte, habe ich meine Struktur wieder gebraucht. Mein Plan 2015 hat mir geholfen, gute Zeiten hinzubekommen. Das gleiche will ich für 2016 auch. Deshalb kam ich also wieder.

Man läuft einen Ultra nicht mal eben so nebenbei.

Auf das Training kommen wir gleich zu sprechen. Bei deinem letzten großen Wettkampf, einem 50 km Trail-Lauf in Zentral-Portugal, musstest du aufgeben. Was war passiert?

Oha. Dieser Lauf hat wirklich alles von mir verlangt, und noch mehr. Ich bin so oft über meine Grenzen gegangen, ich wusste nicht mal, dass ich dazu fähig bin. Es war einfach kein Anfängerlauf. Für einen ersten Ultra hätte ich ihn nicht aussuchen sollen. Von der Vorbereitung her war ich auch zu schwach. Ich habe viel zu spät angefangen zu trainieren. Aber es ist eine gute Lehre. Man läuft einen Ultra nicht mal eben so nebenbei.

Wann hast du gemerkt, dass du es nicht schaffen wirst?

Nach meinem letzten Sturz. Zwischen Kilometer 24 und 29. Davor wollte ich es nicht einsehen. Ich habe mir gedacht, ich laufe von einem Checkpoint zum anderen und passe meine Strategie dann an. Aber als ich 3 Meter den Berg hinabgestürzt bin, mir die Hand geprellt habe und wegen Hüftschmerzen nicht mehr laufen konnte, habe ich mich an Anke erinnert und unseren Deal. Es war einfach Schluss.

Der letzte Sturz war, denke ich, ein Segen.

In deinem englischsprachigen Blog beschreibst du den Abutres-Ultra-Trail als ein „endloses Miststück“. Das klingt richtig sauer. Ist das nicht ungerecht dem Landstrich und den Geiern gegenüber?

Hey, die Übersetzung von Bitch als Miststück ist biss’l zu krass. Es ist eher so gemeint, dass egal wer wir sind, wie trainiert wir sind, der Trail und die Berge immer das Sagen haben werden. Man muss eins mit ihnen sein, um durchzukommen. Dagegen zu kämpfen, ist sinnlos. Die waren vor uns da und werden immer noch da stehen, wenn wir durch sind. Aber gut. Ich war richtig sauer. So ein Bitch-Trail! Die Landschaft ist aber wundervoll. Und die Menschen da … Puhhh – Ich habe so selten so liebe Menschen auf einem Haufen erlebt. Und wer weiß – nächstes Jahr, wenn ich über die Ziellinie gelaufen sein werde, werde ich in meinem Race-Report etwas anderes als Miststück dazu sagen.

Jetzt mit etwas Abstand betrachtet – woran lag es, dass du dein Ziel nicht erreicht hast?

Ich war unvorbereitet. In Berlin trainiere ich nicht in den Bergen, obviously. Und ich habe viel zu spät angefangen zu trainieren. Das wusste ich. Und für solche Läufe sollte man eigentlich versuchen, in Bedingungen zu trainieren, die dem Lauf ähnlich sind.

Wie hat deine Trainerin reagiert?

Ursprünglich hatte ich einen Deal mit Anke gemacht. Sie war nicht so begeistert, dass ich an dem Lauf teilnehme, und ich vermute, sie kennt mittlerweile meinen Ehrgeiz. Also hatte ich ihr vorgeschlagen, dass ich aus dem Rennen aussteige, wenn ich merke, es bringt nichts. Nur, während des Laufes war ich so in meinem Rausch, dass ich weiter gepusht hätte, wenn der Trail mich nicht gestoppt hätte. Der letzte Sturz war, denke ich, ein Segen. Und ich glaube, Anke sieht das auch so. Ansonsten, ja – eine liebe Support-Nachricht und motivierende Worte. Wie eine gute Trainerin halt.

Oriane - Trail-Läuferin und Bloggerin aus Berlin
Oriane kommt aus Frankreich, lebt und trainiert in Berlin und läuft überall auf der Welt – besonders gern „Uphill“. Davon handelt ihr Blog. (Foto: privat)

Ich glaube, dieser Fokus auf meine Schnelligkeit hat sehr geholfen.

2015 lief es besser. Da hast du in Paris einen Marathon gefinisht. Was kannst du uns über das Training sagen?

Paris war mein zweiter Marathon. Dort habe ich meine Zeit um eine halbe Stunde verbessert im Vergleich zu Berlin. Das Training lief gut. Ich kam aus einer Verletzung heraus und hatte Angst, mich wieder zu verletzen. Also habe ich Anke um Rat gefragt, nachdem ich einen Post von Eiswürfelimschuh über MyGoal gelesen hatte. Am Anfang war ich sehr überrascht, weil ich unbedingt lange Läufe machen wollte und Anke mehr meine Schnelligkeit trainieren wollte. Nach Verhandlungen durfte ich jedoch einen 30K-Lauf in mein Training einbauen. Ich glaube, dieser Fokus auf meine Schnelligkeit hat sehr geholfen. Und dass sie so flexibel war, hat mir gefallen. Nach einer gewissen Zeit bin ich schneller als ihre vorgegebenen Zeiten gelaufen und wir haben immer angepasst. Mit einer Bedingung: Dass ich auf meinen Körper höre und es nicht übertreibe.

Was sind deine nächsten Ziele?

Ich habe einen Lauf im März. Es hätte eigentlich mein erster Ultra sein sollen. Mal schauen, ob ich nochmal DNF … Nein, hoffen wir nicht. Ansonsten will ich dieses Jahr meine Paris-Marathon-Zeit in Berlin verbessern. Ab Juli werde ich mit Bergläufen aufhören und mich total auf Berlin fokussieren. Ansonsten, ein Halbmarathon in Berlin im April, wo ich eine Freundin unter die 2-Stunden-Marke pacen werde. Ein Treppenmarathon und ein Lauf in Barcelona. Ich denke ich muss ein bisschen sortieren, was ich alles laufen will, und laufen kann. Ich bin so wenig gelaufen 2015, dass ich mich eigentlich für zu viele Läufe angemeldet habe in 2016 und hoffe auf euren Rat dabei.

Wenn es einfach wäre, würde ich es nicht machen.

Was reizt dich am Trail-Laufen – oder ist das jetzt vorbei nach den Erlebnissen von Portugal?

Ha, nie im Leben! Ich werde sogar nächstes Jahr wieder an den Start gehen in Portugal! Wenn es einfach wäre, würde ich es nicht machen. Mein Traum ist es, irgendwann die großen Trails der Welt zu laufen. Also nee, es ist nicht vorbei. Im Gegenteil. So ein DNF reizt einen, sich zu verbessern und wieder an den Start zu gehen. Trail-Laufen hat mich zu einem besseren Menschen gemacht, ehrlich! Ja, es klingt blöd. Ich war auch nie ein böser Mensch, denke ich. Aber ich finde, man kann nicht spielen mit dem Trail. Er nimmt uns alles raus, man steht wie nackt da, um wieder eins mit der Natur zu sein. Das wirkt sich im normalen Alltag aus. Es reizt mich auch wegen der Herausforderung. Ja, die Herausforderung, sich schnell und stetig in solchen Terrains zu bewegen, um dann die schönsten Aussichten dieser Welt zu sehen – priceless! Noch eins würde ich dazu sagen: Die Menschen. Die Trail-Family ist etwas Wunderschönes, egal wo auf dieser Welt. Man fühlt sich da immer zu Hause.

Uns beeindruckt dein Sprachtalent – Deutsch, Englisch, Französisch als Muttersprache – haben wir etwas vergessen?

Ich versuche Italienisch zu lernen. Dauert aber.

Warum schreibst du eigentlich über deine Lauferlebnisse in Englisch?

Ich kann besser auf Französisch und English schreiben. Nur wohne ich in Deutschland, also habe ich mich entschieden, meinen Blog auf Englisch zu schreiben, sodass ich mehr Leute erreichen kann. Vielleicht übersetze ich meinen aktuellen irgendwann in meine Muttersprache. Aber erstmal muss ich es schaffen, regelmäßiger zu schreiben.

Offenbar hat dir der Blog sehr geholfen, den Abutres-Trail zu verarbeiten.Trotzdem wünschen wir uns für die nächsten Abenteuer bessere Nachrichten. Viel Erfolg!

Lieben Dank! Mal schauen was die Zukunft so mit sich bringt!

Merci beaucoup, Oriane! Komm gesund ins Ziel!

Oriane hatte dafür einen individuellen Marathon Trainingsplan mit 100% Trainerbetreuung.